Interview zu Kinder- und Jugendbeteiligung in Weimar: Wie junge Menschen ihre Stadt mitgestalten

27.11.2024

Andreas Keune vom Kinderhaus Weimar hält ein buntes Schild mit der Aufschrift "Mut geht raus"

© DKJS/Jakob Erlenmeyer

Mithilfe des Zukunftspakets haben Kinder und Jugendliche in 2024 das Just Letters Festival in Weimar organisiert. Und auch in 2023 konnten dank des Bundesprogramms ein lokaler Zukunftsplan und verschiedene Beteiligungsprojekte umgesetzt werden – darunter eine Skatenacht und eine Rollschuhdisko, ein Kinder-Eltern-Theater sowie zwei Zirkusprojekte von und mit jungen Menschen.

Wie können sich Kinder und Jugendliche in Weimar beteiligen und eigene Ideen verwirklichen? Was brauchen junge Menschen, die bei sich vor Ort etwas verändern wollen? Und warum muss Kinder- und Jugendbeteiligung weiter gefördert werden? Das erklärt Andreas Keune vom Kinderhaus Weimar im Interview:

Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen den Weimarer Kindern und Jugendlichen, Jugendhilfeeinrichtungen, Lokalpolitiker:innen und der Stadt Weimar? Und was ist Ihre Rolle?

Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Einerseits liegt das in der Tatsache begründet, dass wir hier in Weimar ein Kinderbüro und somit eine Kinder- und Jugendbeauftragte haben, welche sich sehr für die Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen einsetzt. Andererseits sind vielfältige Beteiligungsformate für junge Menschen in den Weimarer Kinder- und Jugendeinrichtungen fest verankert. Kinder- und Jugendbeteiligung ist hier bei uns sozusagen feste Methode und Tagesgeschäft.

Meine Rolle sehe ich in der Begleitung und Unterstützung: einerseits in meiner Rolle als Mitarbeiter eines Jugendhilfeträgers, andererseits im Besonderen auch als Projektbegleiter in meiner anderen Rolle als Mitarbeiter der Jugendförderung beim Familienamt Weimar. Hier durfte ich in den letzten beiden Jahren insbesondere die Projekte des Zukunftspakets mit jungen Menschen gemeinsam auf den Weg bringen und unterstützen.

Welche Bedürfnisse, Wünsche und Ideen haben Kinder und Jugendliche in Weimar? Inwieweit können sie sich beteiligen und ihre Ideen in die Tat umsetzen? 

Junge Menschen in Weimar möchten wahrgenommen und gehört werden. Sie wünschen sich Räume, wo sie sich treffen können, Projekte und Angebote, bei denen sie sich ausprobieren und entfalten können. Es geht vielen von ihnen hierbei nicht um Konsum und die Nutzung bereitgestellter Angebote – sondern gerade auch darum, diese selbst mitinitiieren zu können und nach ihren Interessen und Bedürfnissen zu gestalten. Aber sie wollen natürlich auch einfach nur mal feiern, sich treffen und Spaß haben. Für all diese Interessen konnte in den letzten beiden Jahren – insbesondere durch die Möglichkeiten des Zukunftspakets – der finanzielle und strukturelle Rahmen geschaffen werden.

Was ist mit dem Zukunftspaket in Weimar in den vergangenen zwei Jahren genau passiert? Welche Wirkung hatte das Programm auf die Beteiligungsprozesse vor Ort?

Es sind ganz viele und vor allem auch sehr unterschiedliche Projekte und Veranstaltungen entstanden, welche die unterschiedlichsten Interessen der jungen Menschen widerspiegeln. Das betrifft kleine Projekte und Wünsche: von einem Kochkurs und Freikarten beim Rummelbesuch über ein Fahrradrennen mit Straßensperrung und allem drum und dran bis hin zu Konzertreihen, einer Rollschuhdisco, einem Graffitifestival und regelmäßigen U18-Discos. Einiges davon war einmalig, viele Projekte wurden im zweiten Jahr wiederholt und einige werden auch zukünftig angeboten werden können. 

Es hat sich einfach gezeigt, dass es einen riesigen Bedarf an den verschiedensten neuen Freizeitangeboten für junge Menschen gab und auch weiterhin geben wird.  Aber es hat sich auch gezeigt, dass viele junge Menschen das Bedürfnis haben, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und sich dafür auch zu engagieren. Es war toll zu erleben, wie viele jungen Menschen dem Aufruf folgten, mit ihren Ideen und Wünschen das Weimarer Zukunftspaket auf den Weg zu bringen und zu gestalten. Und es ist ebenso großartig, dass einige der jungen Menschen dranbleiben wollen. Wie bereits erwähnt, ist Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in Weimar nicht neu. Aber durch die Möglichkeiten des Zukunftspakets konnte sie auf ein neues Niveau gebracht werden.

Beteiligung muss gefördert werden und ist nicht selbstverständlich. Wie stärkt Das Zukunftspaket das Bewusstsein dafür?

Junge Menschen erfahren durch Programme wie Das Zukunftspaket Selbstwirksamkeit. Sie erleben, dass ihre Ideen und Wünsche auch in die Realität umgesetzt werden können. Oftmals fehlt ganz einfach das nötige Geld, um Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Tolle Ideen stoßen auf leere Kassen und die jungen Menschen ziehen sich enttäuscht zurück. Durch die Möglichkeiten des Zunftspakets konnten sie mal aus dem „Vollen“ schöpfen und erleben, dass ihre Vorstellungen und Wünsche doch ernst genommen werden. Das kostet Geld, ja. Aber das Ergebnis für die jungen Menschen ist unbezahlbar.

Was macht ein gelungenes Beteiligungsprojekt aus?

Im Besonderen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die Erfahrung, ernst genommen zu werden und mit ihrem Engagement auch tatsächlich etwas zu erreichen.

Warum muss Kinder- und Jugendbeteiligung weiter gefördert werden, besonders in Zeiten antidemokratischer Tendenzen?

Junge Menschen erst nehmen bedeutet auch, ihnen zuzuhören bzw. überhaupt erst einmal Möglichkeiten zu schaffen, bei denen sie sich äußern können. Auch für uns Erwachsene ist die heutige Zeit mit ihren vielen Krisen und Unsicherheiten eine große und weiterwachsende Herausforderung. Was bedeutet das dann erst für junge Menschen? Wie sollen sie mit ihren Ängsten und Frustrationen umgehen? Von wem fühlen sie sich ernst genommen? 

Demokratie lebt auch von Auseinandersetzung, Aushandlungsprozessen und gegenseitigem Respekt. Hier muss Politik und Gesellschaft ansetzen, zuhören und die Ängste und Sorgen der jungen Menschen ernst nehmen. Einfache Antworten auf komplexe Problemlagen gibt es leider nicht. Genau deswegen braucht es Angebote und Formate, um miteinander in Austausch zu treten und den Menschen das Gefühl zu geben, gesehen und gehört zu werden. Das gilt natürlich nicht nur für junge Menschen.
Das dürfen wir den antidemokratischen Kräften nicht überlassen, die mit vermeintlich einfachen Antworten versuchen, den Diskurs durch Ausgrenzung, verbaler Verrohung, Rassismus und Hass zu bestimmen.

Was können Erwachsene von Kindern und Jugendlichen lernen?

Einfach mal etwas zu versuchen. Und nicht alle Ideen und Wünsche erst einmal auf ihre Machbarkeit zu überprüfen oder zu zerreden, sondern einfach mal etwas zu wagen. 

Was brauchen Kinder und Jugendliche, die bei sich vor Ort etwas verändern wollen? An welchen Stellen benötigen Sie die Unterstützung von Erwachsenen? 

Die Erwachsenen sollten einen Rahmen bieten, wie es z. B. Das Zukunftspaket getan hat. Es gibt eine Idee und es gibt Geld: den Rest entscheiden die jungen Menschen! Das ist dann der Moment, wo wir Erwachsenen uns rausnehmen sollten. 

Natürlich sollten wir innerhalb des Rahmens dafür sorgen, das grundlegende Werte wie Respekt, Toleranz etc. eingehalten werden – aber auch das können die jungen Menschen auch sehr gut allein, wenn wir es ihnen zutrauen.
 

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