
© DKJS/Jörg Farys
Mira, Henry, Willem und Nela sind diesen Sonntag auf verschlungenen Pfaden unterwegs: Aus ganz unterschiedlichen Richtungen bahnen sie sich in der Nähe von Fahrland bei Potsdam ihren Weg durch wilde Wiesen und dichtes Unterholz ans idyllische Ufer der Havel. Dort gibt es Freiraum satt – und das nicht nur, weil auf dem Gelände des Treibgut Naturcamps richtig viel Platz in der Natur bereitsteht. Ganz spontan können sie hier genau das machen, was sie wollen. Ohne Vorgaben von Erwachsenen.
Rumtreiber
Dein Sommer, Dein Strand, Dein Club!
Max und Mayra, 26 und 22 Jahre, haben das Projekt „Rumtreiber – Dein Sommer, Dein Strand, Dein Club!“ mithilfe des Zukunftspakets an den Start gebracht. Ganz entspannt-gespannt erwarten sie die Gäste, die heute ihre Zeit im Naturcamp verbringen möchten. Jeden Sonntag steht das Camp allen Kindern und Jugendlichen offen, die ihre Zeit selbstbestimmt mitten in der Natur verbringen wollen.
Das Rumtreiber-Camp ist ein offenes Freizeitangebot. Beworben wird es an Schulen in der Umgebung, in einer Geflüchtetenunterkunft, in Jugendtreffs, über ein Streetwork-Programm in Potsdam sowie auf einer Website und auf Telegram. Gruppen bilden sich also eher zufällig und spontan.
Heute haben sich Mira, Henry, Willem und Nela, vier Kinder zwischen 6 und 12 Jahren, in Begleitung ihrer Eltern im Camp eingefunden. Mira und Henry sind befreundet, Nela und Willem Geschwister.

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Wirklich freilassen erfordert Mut
„Wirklich freilassen erfordert Mut. Wir wissen ja nicht, wie es werden muss. Es ist ein Wagnis“, beschreibt Max die freudige Erwartung, die bei ihm und bei seiner Kollegin Mayra spürbar ist, als die Kinder mit neugierigen Blicken in der offenen Küche des Camps eintreffen. Die Projektbegleiter:innen möchten sich nicht „Leiter:innen“ nennen, denn Grundlage ihres Konzeptes ist, dass die Initiative allein von den jungen Campbesucher:innen ausgeht.
Eine selbstbestimmte Zeit in der Natur
Unternehmungslustig beschließen Mira, Henry, Willem und Nela, erstmal das große Gelände zu erkunden. Es dauert nicht lange bis sie entscheiden, dass es heute aufs Wasser gehen soll. Denn gleich zu Anfang haben sie das tolle Floß entdeckt, das ganz gelassen am Ufer des campeigenen Strands vertaut liegt und sanft auf den Wellen schaukelt. Es entstand im offenen Kinder- und Jugendtreff spontan und auf Wunsch der jungen Campbesucher:innen.

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„Wenn die Kinder kommen, entsteht sofort Impuls. Uns braucht es dann eigentlich nicht mehr. Wir versuchen, uns – so weit es geht – beobachtend und begleitend am Rand des Geschehens aufzuhalten. Vor ein paar Wochen entstand aus dem Nichts heraus die Idee, ein Floß zu bauen. Die Kinder sind dann auch immer wieder gekommen, um weiterzubauen. Wir haben zwischendurch geholfen, Material auf dem Gelände zusammengesucht und immer mal wieder gefragt: Wollt ihr weiterbauen? Jetzt ist das Floß fertig und alle können es benutzen.“Max, 26 Jahre, Projektinitiator
Echte Beteiligung braucht Vertrauen
Das Zukunftspaket fördert Beteiligungsprojekte von jungen Menschen. Echte Beteiligung entsteht, wenn Kinder und Jugendliche ernst genommen werden mit ihren Ideen, Wünschen und Bedürfnissen. Wenn sie darin unterstützt werden, diese eigenverantwortlich umzusetzen. Wenn ihnen Raum gegeben und Vertrauen geschenkt wird. Vor diesem Hintergrund ist das Rumtreiber-Camp mit seinem klaren und einfachen Projektansatz ein Leuchtturmprojekt.
„Es ist cool, dass die Erwachsenen nicht immer sagen: ‚Nee, das darfst du nicht! Nee, nicht reingehen! Nee, nee, nee!‘ Sondern dass man einfach mal selbst was machen kann, was man sonst eigentlich nicht machen dürfte.“Mira, 10 Jahre, Rumtreiberin
Mayra und Max wissen genau, warum sie das Camp so frei und offen gestaltet haben. Mayra kommt selbst aus einem kleineren Dorf und hat dort viel Zeit im Jugendclub verbracht, weil sie mit Gleichaltrigen zusammen sein wollte. Dieser Ort war für sie enorm wichtig. Ein Raum für Jugendliche unter sich, ohne Erwachsene, allein unter Peers.
Max betont, dass er als Pfadfinder unterwegs war und immerhin auch mit Gleichaltrigen in der Gruppe sein konnte. Jedoch gab es nie wirklich Aktivitäten, die junge Menschen selbst initiiert haben, weil immer alles vorgegeben war.

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„Für mich persönlich ist es total wichtig, diese Position der Leitung einzunehmen, den Kindern aber die Freiheit zu lassen, sich selbst auszuprobieren. Dabei ist es zum Beispiel eine große Herausforderung, auch mal Langeweile auszuhalten.“Max, 26 Jahre, Projektinitiator
Miteinander lernen – in der Freiheit des Tuns
Was auf dem Floß, in den Jurten und auf den Seilbahnen und Schaukeln des Treibgut Naturcamps deutlich wird: Manche Kinder und Jugendliche, die ins Camp kommen, brauchen ein wenig Zeit, bis sie wirklich selbstständig aktiv werden. Manchmal spielen die jungen Menschen auch einfach nur Tischtennis. Oder sie sind so wild im Wasser unterwegs, dass sich sogar Max und Mayra in Geduld und Furchtlosigkeit üben müssen. Die Reflexion über ihr Projekt bringt den zukünftigen Krankenpfleger und die angehende Erzieherin auch persönlich weiter.
„Wir lernen voneinander und miteinander, in der Freiheit des Tuns.“Max und Mayra, 26 und 22 Jahre, Projektinitiator:innen
Alles kann, nichts muss
Bis in die Wintermonate hinein wird es das Campangebot geben. Diejenigen, die den Weg ans Flussufer finden, können viele Impulse aufnehmen, die die jungen Projektmacher:innen und die Vereinsvorsitzende Sylvia Glöß – sie hat das Gelände zu Corona-Zeiten entdeckt den Kollektiv Treibgut Natur- und Kulturcamp e.V. hier verortet – in petto haben.
Sylvia, Max und Mayra würden sich freuen, wenn in Zukunft noch mehr ältere Jugendliche ihren Weg ins Rumtreiber-Camp finden würden. „Denn die Nachfrage nach Projektangeboten für Jugendliche und nach einem Raum, in dem sie sich aufhalten können, ohne ‚zu stören‘, ist da – und sie ist riesig“, erzählt Sylvia. Vielleicht gibt es hier bald Bau-Workshops, Bogenschießen und DIY-Bastelaktivitäten. Aus dem ehemaligen Geräteschuppen soll schon bald ein Veranstaltungsort werden.

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Alles kann, nichts muss – zum Abschluss bringt es Max nochmal auf den Punkt: „Es ist Sonntag. Das bedeutet auch einfach mal Chillen. Oder einfach mal in der Sonne liegen und Tischtennis spielen.“
Nela, Willem, Henry und Mira haben heute nicht so viel gechillt. Vier Stunde lang waren sie ohne Pause miteinander unterwegs und haben das Treibgut Naturcamp zu ihrem Ort gemacht. „Dein Sommer, dein Strand, dein Club!“ – das haben sie sich nicht zweimal sagen lassen. Und sie alle wollen wiederkommen. Ganz schnell. Möglichst schon direkt nächsten Sonntag. Und vor allem: ohne ihre Eltern!

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