Weißenfels mitgestalten: Selbstwirksamkeit und Mitgestaltung beginnen im Kleinen

05.09.2023

Ein Junge mit Sprühdose vor einer Wand

© Shutterstock/sashafolly

15 Kinder und Jugendliche haben im Juli 2023 an der Kletteranlage „Spinne“ im Weißenfelser Neustadtpark eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass man auch im Kleinen Großes bewirken kann. Mit Farbeimern, Pinseln und mit Unterstützung der Graffiti-Profis Jaro und Janek Seemann haben die Teilnehmenden ihre Kletteranlage kreativ und farbenprächtig nach ihren eigenen Ideen gestaltet. Das Projekt wurde vom Träger „Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt“ gemeinsam mit der Weißenfelser Caritas-Begegnungsstätte „Brücke“ im Zukunftspaket umgesetzt. Wie Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Lebenswelten beteiligt wurden, was ein gutes Beteiligungsprojekt ausmacht und vieles mehr hat uns Projektleiterin Elisa Hoth von „Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt“ verraten. 

Was wolltet ihr mit eurem Projekt erreichen?

In erster Linie war das Projekt ein Wunschprojekt von Jugendlichen in Weißenfels. Im Anschluss an einen bereits durchgeführten Graffiti-Workshop wollten die Jugendlichen gerne eine Außenwand in Weißenfels gestalten. Erreichen wollten wir, dass die Kinder und Jugendlichen sehen, dass so etwas möglich ist. Dass sie das Gefühl bekommen, in der eigenen Stadt mitwirken und sie gestalten zu können. Außerdem wollten wir ein tolles Ferienprogramm bieten, für all die, die in den Sommerferien noch nichts weiter vorhatten.  

Graffiti ist in der öffentlichen Wahrnehmung eher männlich konnotiert. Wie hat sich das auf die Geschlechterverteilung im Projekt ausgewirkt? 

Tatsächlich war das bei uns sehr ausgeglichen und spielte für unseren Workshop absolut keine Rolle. Wir hatten sehr starke Mädchen sowie sehr starke Jungen, die alle ganz gewissenhaft an ihren Wänden gearbeitet haben. Auch das Gruppenklima war schön und es gab untereinander keine Sticheleien bezüglich des eigenen oder anderen Geschlechts.  

Inwiefern wurden Kinder und Jugendliche aus Risikolagen erreicht? 

Wir haben mit einem Jugend- und Familientreff der Caritas in Weißenfels Neustadt zusammengearbeitet. Dieser Jugendtreff erreicht viele Kinder und Jugendliche in Risikolagen. Der Begriff „Risikolagen“ meint hier Jugendliche, die stärker von Armut betroffen sind, weniger Zugang zu Bildungsformaten und bspw. in den Sommerferien keine Reisepläne haben. Wir haben keinen konkreten Einblick, wie die Familiensituationen der Jugendlichen sind. Wir haben nur sehr stark die Dankbarkeit gespürt, mit der die Kinder und Jugendlichen unser Angebot angenommen haben. Natürlich ergeben sich Zwischengespräche, die auch darauf hindeuten, dass es einige der Kinder und Jugendlichen in ihrem Alltag nicht leicht haben. Das Besondere an unserem Format war, dass unterschiedlichste Kinder und Jugendliche zusammengekommen sind und eine Barriere zwischen verschiedenen Wohnvierteln in Weißenfels durchbrochen werden konnte. Kinder und Jugendliche aus unterschiedlichsten Gegenden und Schulformen haben sich kennengelernt und teilweise wurden tatsächlich neue Freundschaften geschlossen. Das zu sehen, war einer der schönsten Momente unserer Projektwoche. 
 

Wie kam die Zusammenarbeit mit den Graffiti-Künstlern zustande und welche Bedeutung hatte deren Mitarbeit im Projekt? 

Mit Jaro, einem der Künstler, hatten wir bereits im vorherigen Jahr ein Graffiti-Projekt in Weißenfels durchgeführt. Jaro ist im Feld der pädagogischen Kunstbildung unterwegs und hat bereits Erfahrungen darin, Kunstprojekte mit Kindern und Jugendlichen durchzuführen. Für ihn war das erste Projekt in Weißenfels auch eine tolle Erfahrung, sodass er mit großer Begeisterung die Fortsetzung des Projekts unterstützt hat. Als wir von der Möglichkeit des Zukunftspakets gehört haben, hat er sich sofort bereit erklärt, uns bei der Umsetzung zu unterstützen. Sein Bruder Janek ist ebenfalls Kunstpädagoge und ist sofort begeistert mit eingestiegen. Die Zusammenarbeit mit den beiden Künstlern hat für das Projekt eine sehr große Bedeutung. Die beiden haben die Projektwoche inklusive Vorbereitungstagen komplett konzipiert. Sie haben sich Methoden und Abläufe überlegt, wie die Kinder und Jugendlichen es schaffen können, ihre eigenen Werke an eine sehr große Wand zu bringen. Auch die Auswahl der Materialien, die wir gebrauchen könnten, war absolut an die Bedarfe der Kinder und Jugendlichen angelehnt und es konnten super Arbeitsabläufe geschaffen werden. Eine große Herausforderung ist beispielsweise auch die Farbausgabe zu koordinieren, allen Bedarfen der Teilnehmenden gerecht zu werden und dabei trotzdem eine für alle entspannte Atmosphäre zu schaffen. Das haben die beiden mit ihrer Workshopkonzeption ideal hinbekommen. Auch auf persönlicher Ebene waren wir als Dreierteam wichtige Ansprech- und Bezugspersonen für die Kinder und Jugendlichen.  

Was macht ein gutes Beteiligungsprojekt im Kulturbereich aus? 

Ich denke, ein gutes Beteiligungsprojekt macht aus, dass sich Kinder und Jugendliche mitgenommen und ernst genommen fühlen. Ich habe für mich festgestellt, dass es nicht kleinteilig darum geht, dass die Kinder und Jugendlichen jeden einzelnen Schritt selbst planen und ausarbeiten müssen – manchen fehlt dazu auch einfach noch die Erfahrung, das kann auch schnell überfordern. Ich denke in der Heranführung an partizipative Projekte ist es vor allem wichtig, den Kindern und Jugendlichen aufzuzeigen, welche Möglichkeiten sie haben. Es ist wichtig, ihre Ideen ernst zu nehmen und ihnen zu zeigen, dass sie selbst etwas verändern und in Gang bringen können. In diesem Prozess unterstützt zu werden, ist vollkommen in Ordnung. Für mich war es wichtig, auch in kleinen Punkten, ihre Meinung zu erfragen. Sei es nur der Einkauf für den Tag. Das Tolle an so etwas wie einem Graffiti-Projekt ist, dass ein ganz klares Endprodukt entsteht, welches sie vollkommen allein umgesetzt haben. Ich sowie die Künstler haben keinen der Striche auf den Wänden der Kinder und Jugendlichen selbst gesetzt. Wir waren nur in beratender und unterstützender Funktion vor Ort. Nach Abschluss dieses Projekts haben die Kinder und Jugendlichen einen Ort, den sie immer wieder besuchen und auch anderen zeigen können. Dies steigert immens ein Selbstwirksamkeitsgefühl. Wir von Arbeit und Leben Sachsen-Anhalt möchten Jugendliche darin bestärken, eigene Ziele zu forcieren und umzusetzen. Selbstwirksam aktiv zu sein, das Gefühl mitbestimmen und Dinge verändern zu können, sind die Basis demokratischen Handelns. Diese Kompetenzen können vor allem durch Beteiligungsprojekte erlernt oder bestärkt werden. 

Was würdet ihr anderen Erwachsenen empfehlen, die Projekte mit Kindern und Jugendlichen umsetzen möchten? 

Ich denke, es ist wichtig, Kinder und Jugendliche nicht zu überfordern. Zu viele Möglichkeiten und zu hohe Erwartungen, die nicht umsetzbar sind, können am Ende auch einen negativen Effekt haben, wenn die Erfolgserlebnisse nicht einsetzen. Ich denke, ideal ist es, einen möglichst großen Rahmen zu schaffen, in denen die Kinder und Jugendlichen freien Gestaltungsspielraum haben. Es geht darum, jede Tür zu nutzen, die die Kinder und Jugendlichen selbst öffnen können. Sie aber auch dabei zu begleiten, diese Türen zu finden. Ich finde es toll, wenn sich Kinder und Jugendliche auf die spannenden kreativen Aufgaben stürzen und sich somit selbst entfalten können. In ersten Projekten ist es meines Erachtens nicht so wichtig, dass sie alle organisatorischen Prozesse der Finanzierung beispielsweise mitorganisieren. Sind erste Erfahrungen in der eigenen Organisation von Projekten vorhanden, können sicherlich auch schrittweise mehr Aufgaben von den Kindern und Jugendlichen selbst übernommen werden. Ich denke, in erster Linie ist es schon ein toller Anfang, wenn Erwachsene einfach mal schauen, wo bereits Beteiligungsmöglichkeiten sind. Jeder erste Schritt hin zu mehr Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen ist ein guter Schritt. 

Einen spannenden Einblick in das Projekt bietet auch diese Video-Dokumentation.

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