Interview mit dem Projekt „soft explorations – tender ways to face the world“

27.11.2023

Polaroid-Fotos, die auf einer Wiese liegen

© DKJS/soft explorations

Wie gestalten introvertierte und hochsensible Menschen ihren Alltag und wie gehen sie mit Reizüberflutung um? Und wie können ihnen Beteiligungsprojekte dabei helfen, ihr Wohlbefinden zu stärken? Das lesen Sie im Interview mit Hannah (22 Jahre) und Paula (23 Jahre), die Psychologie und Kunst-Pädagogik-Therapie studieren. Gemeinsam haben sie das Jugendprojekt „soft explorations – tender ways to face the world“ initiiert und im Sommer 2023 mit Unterstützung des Zukunftspakets umgesetzt.

Wie kam es zu eurem Projekt und was wollt ihr damit erreichen?

Wir hatten Lust, in Kooperation mit Ponderosa² ein künstlerisches Projekt für Menschen in unserem Alter umzusetzen. Ponderosa² ist ein Kunst- und Kulturzentrum, das am wunderschönen Nationalpark Unteres Odertal liegt. Es ist ein kreativer Ort, an dem Ideen entstehen können und zu dem werden, was sie sein wollen. 

Wir wollten uns mit Hochsensibilität und Introversion beschäftigen, als verbindendes Thema sind wir so auf „Softness“ gestoßen. Wir finden es überfordernd, dass die Gesellschaft, in der wir leben, oft sehr schnell, hektisch und laut ist. Dass es meist wenig Platz für Verletzlichkeit, stillere Töne und Empfindsamkeit zu geben scheint. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, haben wir den Raum von „soft explorations“ geschaffen. Uns war wichtig, dass Softness hier als besondere Qualität anerkannt und erforscht werden kann. Oftmals werden diese Qualitäten eher als Schwäche erzählt und dies ist uns wichtig zu verändern. 

Für uns war es wichtig, explizit Menschen, die sich im introvertierten oder hochsensiblen Spektrum positionieren, anzusprechen – aber auch alle Menschen, die Lust haben, Softness zu erforschen, weil wir glauben, dass jede:r diese Qualitäten in sich trägt. 

Wie können introvertierte und hochsensible Menschen ihren Alltag so gestalten, dass sie sich in unserer lauten Welt zurechtfinden und wohlfühlen? 

Um als introvertierter Mensch im Alltag gut für sich sorgen zu können, scheint es uns besonders wichtig zu sein, sich sehr bewusst immer wieder Rückzug und Zeit mit sich zu erlauben, auch wenn die scheinbare Norm uns etwas anderes vorzuschreiben meint. Tiefgehende Gespräche und authentische Begegnungen, die über Smalltalk hinausgehen, können Introvertierten besonders guttun. 

Für hochsensible Menschen ist es wichtig, Wege zu finden, mit Reizüberflutung umzugehen. Aufgrund ihres hohen Einfühlungsvermögens sind sie oft sehr empathisch mit dem Leid anderer Menschen. Lernen sie, sich abzugrenzen, auch mal Nein zu sagen und ihre Energie bei sich zu behalten, kann sie das unterstützen. Ein einfaches Beispiel ist das Visualisieren einer goldenen Hülle um den eigenen Körper. Auch physische Übungen, um das Nervensystem zu regulieren, helfen, sich von zu vielen Eindrücken zu befreien. Es gibt zahlreiche Tools: von Ausschütteln und Seufzen über Tanzen bis hin zu Atemübungen. 

Was für wen in welcher Situation passend ist, ist sehr individuell. Und es erfordert oft, sich selbst besser kennenzulernen und zu üben, für sich und die eigenen Bedürfnisse zu sorgen. 

Während „soft explorations“ war der kreative Ausdruck eine Möglichkeit, den eigenen Prozessen Raum und Gestaltung zu geben. 

Wie war es für euch, gemeinsam mit anderen Jugendlichen ein Projekt auf die Beine zu stellen? Und welche Wirkung hatte das Projekt auf euch? 

Gemeinsam ein Projekt nach den eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten zu können, war für uns eine riesige Freude. Natürlich gab es auch Herausforderungen, da das ja totales Neuland ist, aber wir haben dabei so vieles gelernt. Wir haben uns sehr selbstwirksam erlebt, da wir das Gefühl hatten, sinnvolle und wichtige Impulse setzen zu können. Gemeinsam mit einer Gruppe Gleichgesinnter den Forschungsraum erleben zu können, war ein sehr verbindendes und Vertrauen gebendes Erlebnis. Es war sehr besonders, mit den Erfahrungen als Introvertierte*r und/oder Hochsensible*r nicht allein zu sein. Die Intensität an Gefühlen war sehr belebend, manchmal aber sehr herausfordernd – und wir waren dankbar für unser Awareness-Team, das uns bei den inneren Prozessen gestützt hat. 

Alles in allem war die Umsetzung des Projekts eine ausgesprochen bestärkende Erfahrung – auch weil wir immer wieder erfahren durften, welche Fähigkeiten in uns liegen und wie wir zu Veränderungen und zu einem Wandel in der Gesellschaft beitragen können. Da sind Impulse, die wir durch unseren Raum angestoßen haben und als Gruppe gemeinsam erarbeitet haben, sodass sie nun langsam und sanft wachsen und sich weiter formen dürfen. Wir sind gespannt, was daraus noch alles entsteht. 

Wie hilft euer Projekt anderen jungen Menschen? 

Im gemeinsamen Projektzeitraum haben wir gemeinsam viele verschiedene Aspekte von Softness erforscht. Wir haben außerdem erlebt, wie ermächtigend es ist, wenn wir uns verbünden und ein neues Narrativ über Softness, Introversion und Hochsensibilität gestalten. Unsere Erfahrungen werden natürlich von den Teilnehmenden in ihre Communities getragen. Eindrücke unserer Erkenntnisse für eine gelingender Alltagsgestaltung und Empowerment für Introvertierte und Hochsensible haben wir in unserem „Zine“ zusammengestellt: Ideen für eine gelingende Alltagsgestaltung als introvertierter und hochsensibler junger Mensch (PDF-Dokument, 3.8 MB). Wir wünschen viel Freude beim Erkunden und Ausprobieren! 

 

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