Interview: Jugend auf dem Land

29.07.2024

DKJS-Mitarbeiterin Josefine Paul

© Tine Jurtz

Junge Menschen in ländlichen Räumen haben eines gemeinsam: Sie sind betroffen von eingeschränkter Mobilität, geringen Freizeitmöglichkeiten und mangelnden Arbeitsperspektiven. Zudem gibt es auf dem Land oft weniger Strukturen für Kinder- und Jugendbeteiligung. Wofür interessieren sich junge Menschen in ländlichen Regionen? Welche Beteiligungs- und Engagementmöglichkeiten gibt es? Und wie werden ländliche Räume für die Jugend attraktiv? Antworten gibt unser Interview mit Josefine Paul von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS). Josefine Paul leitet die Programme Jugend bewegt Kommune und Landheldinnen.

Welche Themen beschäftigen junge Menschen in ländlichen Regionen?

Im ländlichen Raum gibt es weniger Angebote für junge Menschen, vor allem im kreativen und kulturellen Bereich. Dabei finde ich, dass man sich im ländlichen Raum eigentlich eher selbst verwirklichen kann als in der Stadt. Es gibt mehr Platz und Freiraum, alle kennen sich. Aber es ist eben auch nicht alles gewollt auf dem Land.

Und genau das sehen wir oft bei unserer Arbeit vor Ort: Es gibt viel Freiraum, aber es gibt keinen Freiraum für Jugendliche. So gab es mal viel mehr Jugendclubs. Mittlerweile sind die oft geschlossen oder die eigentliche Zielgruppe wird nicht abgeholt. Doch Jugendliche brauchen einen Ort, wo sie sich entfalten und selbstverwirklichen können, wo sie unter sich sein können. Ebendiese Orte sollten Kommunen akzeptieren und schaffen.

Junge Menschen wollen auf Augenhöhe mit Erwachsenen kommunizieren und einen transparenten Umgang mit allen Themen und Prozessen erleben. Sie wünschen sich Offenheit gegenüber ihren Ideen und Zuverlässigkeit bei gegebenen Versprechen. Die Kinder und Jugendlichen wundern sich, warum sie bei Entscheidungsprozessen nicht mitgedacht werden. Warum entscheiden Erwachsene für Jugendliche? Das ist nur ein Teil der Themen, die junge Menschen beschäftigen.

Gibt es Unterschiede zwischen der Stadtjugend und der Landjugend?

Ich denke, dass es einen signifikanten Unterschied zwischen Stadt und Land gibt – aber ich glaube trotzdem, dass junge Menschen überall ähnliche Themen haben.

Welche Rolle spielt Engagement auf dem Land?

Engagement ist im ländlichen Raum wichtig, um ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und umselbst aktiv zu werden. Wenn kein Engagement vorhanden ist, dann kann das Zusammenleben und Zufriedenheitsgefühl in einer Kommune abnehmen. Und ich glaube, da kann Kinder- und Jugendbeteiligung auch viel bewirken. Denn wenn eine Gruppe anfängt, sich zu engagieren, hat das oft einen Dominoeffekt.

Engagement schafft auch Anreize, sodass Menschen nach der Ausbildung oder dem Studium wieder ins Dorf zurückkommen. Denn Engagement kreiert eine Art Identität vor Ort. Es ist also wichtig, um Menschen zu binden und das Leben auf dem Dorf attraktiv zu gestalten. Hier kennt sich jede:r, das ist ein Unterschied zur Stadt – und das kann auch ein Vorteil sein, um Projekte voranzutreiben.

Wie steht es um Kinder- und Jugendbeteiligung im ländlichen Raum?

Das ist sehr unterschiedlich. Mit Jugend bewegt Kommune begleiten wir Kommunen bei ihren Beteiligungsprozessen. Da kommt es manchmal vor, dass Kommunen Beteiligung umsetzen wollen, aber noch gar nicht wissen, was Beteiligung überhaupt ist. Manche denken: Junge Menschen können sich bei der Wahl zwischen A und B entscheiden, das ist doch genug. Da ist es wichtig, dass es uns als Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gibt: Wir sensibilisieren für das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung und unterstützen Kommunen bei der praktischen Umsetzung von Beteiligungsvorhaben.

Wie können sich Kinder und Jugendliche auf dem Land beteiligen?

Es gibt so viele Möglichkeiten, wie Beteiligung aussehen kann. Es gibt die unterschiedlichsten Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung: Jugendforen, Kinderbürgermeister:innen oder Ideenkonferenzen. Wir beschäftigen uns vor allem mit niedrigschwelligen Angeboten. Ein Beispiel ist das Format der Jugend-Einwohner:innen-Versammlung. Das ist eine Versammlung für junge Menschen, bei der sie mit Politiker:innen der Kommune in Kontakt kommen können. Jugendliche und Erwachsene kommen ins Gespräch – ohne abschreckende Verpflichtungen für die Jugendlichen. Und die Politiker:innen können die Ideen der jungen Menschen mitnehmen.

Wichtig ist auch zu beachten: Beteiligung ist ein langwieriger Prozess, der sich auch immer wieder ändern kann. Denn was die eine Generation Jugendlicher gut findet, findet die nächste vielleicht nicht mehr so gut.

Wie schafft man es, ländliche Räume attraktiv für junge Menschen zu gestalten – auch langfristig?

Man muss attraktive Angebote für Jugendliche schaffen und man muss sie daran beteiligen. Jugendliche brauchen eigene Orte und müssen mitentscheiden können, wie ihr Lebensumfeld gestaltet wird. Und all das kann die Identitätsbildung für den Heimatort natürlich enorm stärken. Viel steht und fällt mit dem Thema Kommunikation. Erwachsene müssen auf Augenhöhe mit jungen Menschen kommunizieren, transparent agieren und auch mal Macht an Jugendliche abgeben. Es geht viel um Vertrauen.

Naja, und auch die Klassiker spielen eine wichtige Rolle: medizinische Versorgung, öffentliche Verkehrsmittel, sichere Fahrradwege, Ausbildungsplätze und so viel mehr.

Jugend bewegt Kommune

Ein Film aus dem Programm Jugend bewegt Kommune gibt jede Menge Inspirationen, wie Jugendbeteiligung im ländlichen Raum aussehen kann – von der Ortserkundungstour über einen Filmclub bis hin zur Gestaltung eines Dorfgemeinschaftszentrums für Jung und Alt.

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© DKJS / Andi Weiland

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